frauenhandel
Präventionsarbeit

Europaweite Ermittlungsteams

Neben speziellen EU-Programmen wie Stop oder Daphne, die sich gegen Frauen- und Kinderhandel richten, beabsichtigt die Europäische Union im Rahmen ihrer gemeinsamen Innen- und Sicherheitspolitik (die so genannte dritte Säule der EU nach Maastricht), schärfer gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen, und zwar sowohl durch die Gründung der neuen EU-Justizbehörde für grenzüberschreitende Ermittlungen, Eurojust, als auch mithilfe von Europol. So soll beispielsweise die Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams gefördert werden. Im April 2001 hat es die Zusammenarbeit der deutschen, ukrainischen und österreichischen Polizei bereits möglich gemacht, einen Frauenhändlerring zu zerschlagen, der Weißrussinnen ausbeutete. Die Frauen waren zunächst in sächsische und thüringische Bordelle eingesperrt worden und dann an österreichische Etablissements weiterverkauft worden.

Obwohl der Druck von Seiten der Länder, die eine gesetzliche Regelung der Prostitution bevorzugen, groß ist, wurde mit der Unterzeichnung der UN-Konvention gegen grenzüberschreitendes organisiertes Verbrechen durch 124 Staaten im Dezember 2000 in Palermo ein wichtiger Schritt in Richtung internationale Zusammenarbeit getan. Das Zusatzprotokoll über Menschenhandel, das zwar nur von 80 Ländern unterzeichnet wurde, enthält laut Tana de Zulueta immerhin ein "innovatives Instrument", indem es den Opfern von Zwangsprostitution eine Aufenthaltserlaubnis in Aussicht stellt.

Die Europäische Kommission prüft derzeit noch die Umsetzbarkeit einer solchen Aufenthaltsregelung, die in Belgien bereits seit 1995 und in Italien seit 1998 zur Anwendung kommt. So haben verschiedene Einrichtungen, darunter Payoke in Antwerpen, Pag-asa in Brüssel und Sürya in Lüttich, innerhalb von fünf Jahren bereits 700 Prostituierten, die mit den Polizeiermittlern zusammenarbeiteten, eine Ausbildungsmöglichkeit und finanzielle Beihilfen zur Verfügung gestellt. Eine Aufenthaltserlaubnis, wie sie durch die italienischen Behörden ausgestellt wird, ermöglicht es den Frauen, staatliche Sozialleistungen zu beziehen, zu studieren oder zu arbeiten. Nach Angaben der ehemaligen italienischen Sozialministerin Livia Turco wurden im Jahr 2000 insgesamt 600 solcher Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt.

Die französische Polizei dagegen zieht es vor, auch ohne dass eine Prostituierte Anzeige erstattet hat, Ermittlungen gegen Zuhälter aufzunehmen. Dieses Vorgehen mag zwar dazu beitragen, dass den Frauen Repressionen erspart bleiben. Aber ausländische Prostituierte haben nach wie vor einen schwachen Stand, solange sie als illegale Immigrantinnen gelten und jederzeit abgeschoben werden können. Deshalb müssten sie offiziell ausschließlich als Opfer betrachtet werden, was ihnen einerseits einen gewissen Schutz gewähren und ihnen andererseits die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglichen würde - das ist freilich leichter gesagt als getan. Neben Frauen wie Nicole Castioni, die nach fünf Jahren Straßenstrich auf der Pariser rue Saint-Denis heute im Genfer Parlament sitzt, oder Yolande Grenson, die heute die Organisation Pandora leitet, nachdem sie in Belgien 17 Jahre lang Prostituierte war, gibt es die zahllosen Frauen, denen der entscheidende Schritt nicht gelingen will. Die Gründe liegen auf der Hand: realitätsferne Gesetze, unzureichende Strukturen und Personalmangel. Eine Wiedereingliederungspolitik muss mit Nachdruck und Engagement verfolgt werden. Sie muss Beratung, Betreuung und Hilfsangebote umfassen und staatliche wie nichtstaatliche Akteure gleichermaßen einbeziehen. Eine solche Partnerschaft ist unabdingbar, da Prostituierte häufig davor zurückschrecken, vor den Behörden auszusagen. Ein trauriges Beispiel hierfür lieferte das Scheitern der 1960 in den französischen Departements eingerichteten Präventions- und Resozialisierungsstellen, von denen heute gerade noch fünf existieren.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Vereine können als Vermittler von großem Nutzen sein. Dies musste auch Mireille Ballestrazzi von der Zentraldirektion der französischen Kriminalpolizei anerkennen. Es wäre folglich angebracht, die 1970 eingerichteten Departementalräte wiederzubeleben. Sie könnten ein sinnvolles Vorgehen vor Ort möglich machen, denn sie sind in der Lage, die Vertreter der verschiedenen Verwaltungsbereiche und der betreffenden Vereine und NGOs an einen Tisch zu bringen.

Bislang hat der französische Staat die Verantwortung für die Wiedereingliederung weitestgehend den Vereinen überlassen. Diese (wie z. B. Altair in Nizza, Cabiria in Lyon, Penelope in Straßburg, Le Pas in Dijon) sind zwar ausgesprochen engagiert und kennen sich in der Praxis gut aus, aber sie verfügen nur über begrenzte Mittel, während ihr Aufgabenfeld stetig wächst. Sie haben mit immer mehr Menschen zu tun, deren Sprachen und Kultur sie nicht kennen. So musste beispielsweise die Organisation Accompagnement Lieu dAcceuil (ALC) im Departement Alpes-Maritimes unlängst eigens eine russische Vermittlerin einschalten. Sozialarbeiterinnen und Ehrenamtliche sollten - nach dem Vorbild des Sozialamtes für das Departement Loire-Atlantique - in Sachen Prostitution fortgebildet werden.

Außerdem müssen, wie auch von der sozialistischen Senatorin Dinah Derycke gefordert, die Geldmittel, die solchen Organisationen zur Verfügung stehen, dauerhaft aufgestockt werden. Derycke schlug darüber hinaus vor, mehr Unterkünfte bereitzustellen und die Maßnahmen vor Ort zu verstärken, eine finanzielle Beihilfe oder sogar ein Steuerfahndungsmoratorium einzuführen, Fortbildungsprogramme und berufliche Möglichkeiten für die Frauen anzubieten.

Insbesondere Italien hat auf diesem Gebiet Erfahrungen vorzuweisen, die für die anderen europäischen Länder lehrreich sein könnten. Erwähnt sei zum Beispiel die Casa Regina Pacis in einem kleinen apulischen Badeort namens San Foca, wo Pfarrer Don Cesare Lodeserto etwa sechzig Osteuropäerinnen beherbergt, die aus den Klauen der Zuhälter befreit worden sind. Oder Don Oreste Benzi, ein Priester in Rimini, der über 1.000 Prostituierten bei der Wiedereingliederung geholfen hat.

Auch die letzte italienische Regierung hat mit einer Fernsehkampagne das Ihre zu der Entwicklung beigetragen. Dies war nach Ansicht von Livia Turco "ein in Europa einzigartiges Experiment", das auf zwei Ebenen wirkte: Zum einen führte es den potenziellen Freiern klar vor Augen, welche Gewalt den Prostituierten angetan wird. Und zum anderen bot es den Frauen einen Ausweg an: Auf der rund um die Uhr erreichbaren Notrufnummer sind in weniger als zwei Monaten 47.000 Anrufe eingegangen. Insgesamt haben an die 1.000 Ausländerinnen von dem Wiedereingliederungsprogramm profitiert. Gleichzeitig hat Italien sich verpflichtet, die Berufsausbildung abgeschobener nigerianischer Frauen zu fördern. Sie können unter anderem in einer Fortbildungsstätte im nigerianischen Benin City eine EDV-Ausbildung absolvieren oder das Hotel- und Gaststättengewerbe erlernen.

Dieses Beispiel veranschaulicht, wie wichtig Maßnahmen sind, die in und zusammen mit den Heimatländern der Prostituierten ergriffen werden. Dies gilt erst recht in Sachen Prävention. Die Internationale Organisation für Migration hat in Ungarn eine Präventionskampagne mit Hilfe von Broschüren und Fernsehspots durchgeführt. Und die Regierung in Sofia hat eine Liste aller Unternehmen veröffentlicht, die die Genehmigung haben, Arbeitskräfte fürs Ausland anzuheuern, um damit denjenigen, die mit Kleinanzeigen und trügerischen Arbeitsangeboten junge bulgarische Frauen anzulocken versuchen, das Handwerk zu legen.

Quelle: http://www.lefoe.at/design/content.php?page=a&lang=de&content=181

 

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