globalisierung
Diskussion: Frauen und Globalisierung
   
(Auszüge der überarbeiteten Tonaufnahme)

Am 16. Oktober 2003, dem "World Food Day", organisierte Women and Life on Earth eine Diskussionsrunde mit internationalen Gästen in Berlin: Susan Hawthorne, Renate Klein (Australien) und Farida Akhter (Bangladesh).



Gesunder Lunch als Teil des World Food Day

Susan Hawthorne



Susan Hawthorne ist Aktivistin, Autorin (u.a. Wild Politics), Zirkusartistin (!) und - zusammen mit Renate Klein - Mitbegründerin von Spinifex Press http://www.spinifexpress.com.au/non-fict/wp.htm Sie ist außerdem Mitverfasserin einer internationalen Textsammlung mit feministischen Reaktionen auf den 11. September. Ihre letzte Arbeit befaßte sich mit lesbischer Kultur und mit der Folter, der Lesben in vielen Ländern ausgesetzt sind.

(...) Während ich mein Buch schrieb, wurde ich von unterschiedlichen Frauen inspiriert, die Texte schrieben, welche meine Auffassungen herausforderten und mich anders denken ließen. Ich begann mit der Idee des "wild type". Und ich betrachtete sie sowohl als genetisches als auch als soziales Konzept. Feministinnen sind die "wild types"-- wir sind die Irritierenden, wir sind die politische und soziale Mahnung, daß Dinge anders sein müssen. Künstler sowie eine große Anzahl anderer Menschen außerhalb der dominanten Kultur spielen diese Rolle.

Während ich über die Welt nachdachte, kam ich zu dem Schluß, daß wir etwas wirklich anderes brauchen -- wir müssen alles umdrehen -- und während wir das tun, müssen wir uns von einer auf Profit ausgerichteten Gesellschaft zu einer Gesellschaft entwickeln, die von Biodiversität inspiriert wird.

Wenn wir von Biodiversität inspiriert werden, beginnt unser Konzept. Von Anfang an beschäftigt es sich mit einer Menge Probleme. Das Konzept macht sich frei von Biotechnologie; es macht sich frei von Krieg, der sowohl menschliche Lebensräume als auch die Natur zerstört. Es macht sich frei von der Idee, man könne Dinge herstellen, weil sie Geld bringen, bei amerikanischen Verbrauchern populär oder modern sind. In diesem Sinne scheint es das kapitalistische Projekt zu unterlaufen, aber auch das Prinzip, inwieweit Frauen- und Männerarbeit sehr unterschiedlich strukturiert ist, ist Teil davon. Das heißt, in vielen Teilen der Welt ist die Arbeit von Männern und Frauen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich strukturiert. Frauen in der Pazifikregion fischen, aber ihre Fischerei zählt nicht als Arbeit, weil sie nur für den Eigenbedarf ist. Männer benutzen Benzin in Motorbooten und verkaufen ihren Fang am Ende des Tages. Die Beschäftigung ist die gleiche, aber Männer fischen, während Frauen es nicht tun. Das gleiche trifft auf die Landwirtschaft zu. Frauen bestellen ihr Land, indem sie Biodiversität und Nährwert maximieren, während Männerlandwirtschaft sich meist auf Getreide und Export ausrichtet.

Viele von uns sind beunruhigt über die Themen Zukunft, Unterhalt -- sei es in einem emotionalen oder pflegenden Sinn -- Versorgung der Familie oder im lokalen Umfeld zu bleiben, egal ob das ein Haushalt, ein Feld, ein Wald oder was auch immer ist. Und so gibt es viele andere Elemente, die Frauen an unterschiedlichen Punkten in unserem Leben zusammenbringen.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig erschien, war die Eigentumsfrage. Was wir global momentan erleben, sind fortschreitende Privatisierung und fortschreitendes Zerteilen von Besitz in kleiner und kleiner werdende Teile (wie z.B. Patente) und auf der anderen Seite massive Besitztümer. Der kleinere Teil ist der Besitz von Körperteilen. In der massiven Eigentümerschaft geht es um große Aktiengesellschaften, die große Teile Land und Produkte etc. kaufen.

Ich weiß, daß unter vielen Ureinwohnern die Idee des Eigentums einfach keine Idee ist. Es geht mehr darum, daß es Plätze gibt, von denen Menschen kommen und Plätze, an denen sie leben. Sie haben eine Beziehung und Verantwortung für diese Orte. Und alle -- ich mag diesen Ausdruck nicht -- aber alle "Rechte" die sie über dieses Land haben, haben sie nur, weil sie gleichzeitig Verantwortung dafür tragen. Das ist die Praxis der Ureinwohner in Australien und sie bleibt in einheimischen Kommunen beibehalten. Das ist für mich eine große Herausforderung in dem Sinne, daß jemand alles besitzen kann. Natürlich kann man so etwas nicht über Nacht vorschreiben, man muß das Denken der Menschen ändern.

Als letztes schrieb ich über Patente und internationale Handelsregeln. Ich hätte nie erwartet, daß ich mich für internationale Handelsregeln interessiere, aber ich wurde wirklich besessen davon. In den letzten 12 Monaten wurde in  Australien ein Antrag auf ein Australien-USA-Freihandelsabkommen gestellt, was eine wirklich schlechte Nachricht ist. Es würde Australien zu einem weiteren Staat der USA machen. Wir haben bereits Kanada und Mexiko in der NAFTA (North American Free Trade Agreement) und bis Ende 2005 wird auch Südamerika beitreten. Das Resultat wird die Abschaffung von sozialen Einrichtungen wie Gesundheit, Ausbildung und Wohltätigkeitsprogrammen sein. Es bedroht außerdem Australiens Biodiversität, weil die Quarantäneregelungen von der US-Regierung als "Barriere gegen freien Handel" angesehen werden. Australien ist ein Land, in dem Kaninchen, Kröten, europäische Bienen und nicht-heimische Pflanzen wie Lantana die Umwelt bereits beeinträchtigt haben.(...)


Renate Klein



Die gebürtige Schweizerin Renate Klein zog 1987 nach Australien, wo sie sich den Women's Studies zuwandte und an der Deakin University eine Professur erhielt. Sie ist Mitbegründerin von FINRRAGE und des Journals Issues in Reproductive and Genetic Engineering. Zu ihren Arbeiten zählen u.a. Theories of Women's Studies, herausgegeben mit Gloria Bowles, und Test-Tube Women: What Future for Motherhood? mit Rita Arditti und Shelley Minden (Retortenmütter: Frauen in der Labors der Menschenzüchter). Ihre neuesten Bücher beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen Frauen und Tieren.

Ich sehe euer wundervolles Banner "Women and Life on Earth" an der Wand, welches wirklich fantastisch ist. Und ich erinnere mich daran, daß sich vor 25 Jahren, als die neuen Reproduktionstechnologien starteten und die Geburt von Louise Brown in England 1978 als die Geburt eines Wunderbabys angekündigt wurde, einige von uns Feministinnen fragten, ob das wohl eine gute Sache wäre, ob sie vielleicht Frauen zugute kommen würde -- und wenn ja, welchen Frauen -- oder ob es Gefahren gäbe.

Ich bin ausgebildete Biologin und lebte zu dieser Zeit in London. Sehr naiv, das muß ich zugeben, begann ich ein Buch zusammenzustellen, "Test-tube Women: What Future for Motherhood?", welches unter dem Titel "Retortenmütter"  ins Deutsche übersetzt wurde. Das Buch, eine Anthologie, stellte mehr Fragen als es beantwortete. Aber bereits als wir das Buch zusammenstellten, dachten wir:" Oh, wir haben hier eine Büchse der Pandora". Wenn Du einmal beginnst, über die Technologien in deinem Mund nachzudenken, entdeckst du eine Menge fauler Zähne.(...)

Die Achtziger waren eine gute Zeit, weil das Buch "Retortenmütter" auf Deutsch veröffentlicht wurde und auch Gina Coreas Buch "Die Muttermaschine" (The Mother Machine) 1985 herauskam. Und dann organisierten wundervolle deutsche Frauen die „Frauen gegen Gen- und Reproduktionstechnologie“-Konferenz in Bonn. Das war wirklich wichtig, weil1984 einige von uns in Gröningen waren und an einer Diskussion auf einem Frauenkongreß namens "Der Tod der Frauen?" (The Death of Women?) teilgenommen hatten. Es gab so viele Frauen auf diesem Kongreß, ca. 500 oder 600, daß wir sagten, wir brauchen ein internationales Netzwerk, um gegen diese Technologien zu kämpfen.

Neben dieser außergewöhnlichen Konferenz gab es viele, die sagten: "Diese Technologien sind gefährlich, wir müssen sie stoppen.“ Im selben Jahr, also 1985, hatten wir eine Notfallkonferenz in Schweden, wo uns Maria Mies und einige andere Frauen überzeugten, unseren Namen zu FINRRAGE zu ändern (Feminist International Network for Resistance Against Reproductive and Genetic Engineering - Feministisches Internationales Netzwerk gegen Reproduktions- und Gentechnologien). Wir wußten, das war das Ende der Stipendien: Wenn du „rage" - Wut - in dem Titel hast, gibt dir niemand Geld. Aber wir mußten „Wut“ erwähnen, weil auch Gentechnik Teil davon war. Es ging nicht nur um Reproduktionstechnologien für Frauen, sondern auch um Gentechnologie.(...)

Ich denke, FINRRAGE wurde so erfolgreich, weil wir immer beide Seiten der Medaille zeigten. Wir zeigten neue und alte Reproduktionstechnologien. (...)

Die Idee, Reproduktionstechnologie als etwas Gutes für verzweifelte Menschen zu verkaufen, wurde als Deckmäntelchen genutzt. Unter diesem Deckmäntelchen konnte man die Ansicht, daß Leben getrennt werden kann, industrialisieren -- ein Frauenkörper kann in Eier und Gebärmutter geteilt und sie können austauschbar genutzt werden. Seitdem haben wir Leihmutterschaft ohne Probleme.

Außerdem hatten wir damit Zugang zu Eizellen außerhalb eines Frauenkörpers. Und wir konnten mit den Eizellen spielen. Wäre es nicht für Retortenbefruchtung, hätten wir niemals die Forschungen, mit denen wir jetzt konfrontiert sind: Stammzellenforschung und Klonen waren nur möglich, weil Frauen sich selbst öffnen ließen und in dem Glauben „wir wollen es“ der Reproduktionstechnologie Zugriff auf Eizellen gaben.

Wir sagten am Anfang, wenn diese Entwicklung weitergehe, würden wir unglaubliche Ungleichheiten sehen. Die Dominierung würde weitergehen, wer kontrolliert, welche Frau in der Welt welches Baby bekommt, wie viele, von wem und besonders wo in der Welt. Wir haben diese Entwicklung fortschreiten sehen und ich weiß, in Deutschland gibt es momentan diese Diskussion, ob PRD, pränatale Diagnose, erlaubt wird. In Ländern wie Australien und England gibt es PRD bereits. Mit anderen Worten, daß ein Embryo, irgendein Embryo, auf chromosomale Abnormalitäten untersucht und  aussortiert werden kann, falls er nicht für gut genug befunden wird. Wir haben von Beginn an gesagt, daß das nur Eugenik in einer neuen Form ist. (...)

Es wundert mich, daß es keine weitere Forschung über künstliche Gebärmuttern gibt, seit 1994 in irgendeinem Labor in Japan Wissenschaftler eine künstliche Gebärmutter konstruierten und einen Ziegenembryo in sie hineinpackten. Sie ließen diesen Embryo entwickeln und erklärten schließlich, er sei entwickelt genug, um geboren, herausgeholt zu werden. Er lebte und sie sagten: “Ha, wir haben eine künstliche Gebärmutter..“ Die Ziege verstarb... aber mich überrascht, daß diese Forschungen nicht fortgeführt wurden. Bis eine wirklich funktionierende künstliche Gebärmutter konstruiert wird, werden Frauen gebraucht, werden Frauenkörper noch gebraucht. (...)

Farida Akhter



Farida Akhter ist seit 1984 Geschäftsführerin der NRO UBINIG (Politikforschung für Entwicklungsalternativen) und Mitglied der bengalischen Bewegung Nayakrishi Andolon (Neue Landwirtschaft). Sie ist Expertin für Agrar- und Gentechnik und vertritt die These, daß die Agrar- und Gentechnik-Konzerne die genetische Vielfalt des Saatguts zerstören. Neben der nationalen Frauenbewegung ist sie in verschiedenen internationalen Netzwerken aktiv: FINRRAGE (Feministisches internationales Netzwerk zum Widerstand gegen Gen- und Reproduktionstechnologien), SANFEC (Südasiatisches Netzwerk zu Nahrung, Ökologie und Kultur) sowie dem Südasiatischen Netzwerk gegen Frauen- und Kinderhandel.

(...) Und heute, 2003, sprechen Menschen über die Dinge, die wir bereits in den frühen Achtzigern angesprochen haben. Unser Höhepunkt war Konferenz 1983 in Comilla, Bangladesh, als wir eine gemeinsame Deklaration von Frauen aus Nord und Süd vorbereitet hatten. (...)

Ich werde euch ein paar Eindrücke geben, welche Arbeit wir in Bangladesh gemacht haben und auch die Verbindung zur Globalisierung. Ich glaube, Populationskontrolle war eines der ersten deutlichen Beispiele für Globalisierung. Es ist Rassismus, durch den eine globalen Elite Menschen abschaffen will, die sie als ungewollt oder frei verwendbar ansieht. Es wurde Geburtenkontrolle, Familienplanung oder Populationskontrolle genannt, aber es war nichts anderes als das Geschäft der Konzerne mit ihren Empfängnisverhütungsmitteln. Deshalb denke ich, Globalisierung hat eine viel längere Geschichte, als wir glauben. Und heutzutage werden, wie ihr wißt, Verhütungsmittel immer noch an Frauenkörpern getestet and vermarktet. Jetzt sollen sie privatisiert werden und die größte Menge Geld geht an ein "soziales Vermarktungsprojekt", welches versucht, die Verhütungsmittel zu privatisieren und zu kommerzialisieren. So werden sie dich drängen, es zu nehmen und zu kaufen...

Eine andere Entwicklung betrifft die Textilindustrie. Fast 18 Millionen Frauen sind dort angestellt. Mit der Gleichschaltung des „multi-fiber arrangement“, welches Kontingente für den europäischen und den US-Markt beinhaltet, stehen 50% der Textilfabriken in Gefahr, schließen zu müssen, weil sie wahrscheinlich der Konkurrenz auf dem internationalen Markt nicht standhalten können. Dadurch werden viele Frauen ihre Arbeit verlieren.

Man kann bereits erkennen, daß Textilfabrikbesitzer keine Frauen über 30 Jahre haben wollen. Der Grund dafür ist, daß diese Frauen nicht mehr so gut sehen können, weil sie mit elektrischen Maschinen arbeiten mußen und ihre Sehkraft dadurch bereits beeinträchtigt wurde. Außerdem haben sie Rückenprobleme, weshalb sie nicht mehr so effizient sind wie vorher. Was immer auf dem internationalen Markt passiert, Frauen über 30 werden ihren Job in den Textilfabriken auf jeden Fall verlieren. Deshalb werden die Kleidungsfabriken keine Antwort auf Beschäftigungsprobleme sein. Selbst die Arbeiterinnen denken so.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, daß der UNFPA, Population Fund der UN, und die Vereinigung der Textilfabriken von Bangladesh (BGMEA) ein gemeinsames Reproduktions-Gesundheitsprojekt haben. Sie geben Spritzen und sagen, sie würden die Arbeiterinnen damit medizinisch unterstützen. Aber man weiß, was sie mit diesen sehr jungen Mädchen machen: Sie geben ihnen diese Spritzen, damit sie einerseits gesund bleiben und andererseits nicht menstruieren, weil es Störungen im Produktionskreislauf verursacht, wenn sie Probleme haben... Außerdem vermuten wir, daß sie in diesem sogenannten Reproduktions-Gesundheitsprogrammen auch Empfängnisverhütungsmittel spritzen. (...)

Das ist ein anderes Beispiel für die Kolonialisierung von Frauenkörpern. Sie sind billige Arbeitskraft, sie wurden auf viele Arten ausgenutzt und jetzt wird ihre ganze Reproduktion beeinflusst. Sobald eine junge Frau  in eine Textilfabrik eintritt, darf sie weder heiraten noch ein Baby bekommen. Diese Frauen sollten frei sein, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, aber jetzt werden sie technologisch kontrolliert. Selbst wenn sie wollten, könnten sie keine Kinder bekommen.

Ich muß den Handel mit Frauen und Kindern erwähnen. Das ist ein weiteres Gesicht der Globalisierung. Man kann sich den Verkauf von Frauen und ihren Körperteilen nicht vorstellen. Viele Frauen gehen ins Krankenhaus und ihre Gebärmutter wird aufgrund einfacher Probleme entfernt. Es gibt viele gynäkologische Probleme. Wir machten eine Studie in Krankenhäusern und fanden heraus, daß man 90% der Frauen, die wegen irgendeines Problems kamen und mindestens zwei oder drei Kinder haben, die Gebärmutter entfernt hatte. Eine verbreitete Operation, selbst für arme Frauen. Aber ohne ihr Wissen. Und wir hören, die entfernte Gebärmutter wird verkauft, auch für die medizinische Forschung. Aber wir wissen nicht, wohin sie kommen. Sie sagen, das Gewebe sei sehr wichtig für die medizinische Forschung und sie kriegen es nirgendwo anders her. Und auch der Fötus. Viele Frauen haben Abtreibungen und der Fötus ist ein wichtiges Rohmaterial für die Forschung. Diese Dinge sind Teil des Organhandels.(...)

Wir veranstalteten einen „South Asia Court of Women“ im August diesen Jahres. Mindestens 1500 Frauen nahmen daran teil. Wir hörten 40 Aussagen aus unterschiedlichen Teilen der südasiatischen Region. Und die Menschen weinten, während sie hörten, was mit ihnen geschieht.(...)

Ein anderer Aspekt der Globalisierung  ist die Landwirtschaft. Das ist ein Bereich, in dem wir als Feministinnen nicht sehr viel gearbeitet haben. Und jetzt realisieren wir, daß es sehr spät ist und bereits viel Piraterie stattgefunden hat. Frauen waren überall auf der Welt die Haupt-Saatgut-Bewahrerinnen. Und jetzt versuchen wir in unserer lokalen Landwirtschaftsbewegung Nayakrishi Andolon. die Kontrolle über das Saatgut zurückzubekommen. In diesem Jahr konnten wir 2000 Arten Reis kultivieren. (...) Das Saatgut ist sehr wichtig und deshalb halte ich die "Save our Seeds"-Kampagne für sehr wichtig.

Früher besaßen und züchteten die Frauen einheimische Hühner. Jetzt bekommen sie weiße Hühner durch Mikro-Kreditprogramme. Das bedeutet, wenn du einen Kredit aufnehmen willst, mußt du eine bestimmte ausländische Hühnerart nehmen. Die Frauen wollen das nicht, weil diese Hennen ihre Küken nicht beschützen können. Die Krähen holen sie und sie können ihre Küken nicht retten. Aber unsere lokalen Arten können das. Deshalb haben wir 40 verschiedene Hühnerarten gesammelt. Ihre Eier sind unterschiedlicher Farbe: weiß, gelb, schwarz. Und sie haben unterschiedliche Nahrungsschemen, Freßgewohnheiten und legen eine unterschiedliche Anzahl von Eiern. Man merkt, sie sind unterschiedlich...

Australien hat ein Abkommen mit Bangladesh geschlossen, daß wir auf unseren Reisfeldern Mais für die Geflügelfarmen in Australien anpflanzen werden. Und auch Kichererbsen, die genetisch verändert wurden. Das ist genetisch verändertes Getreide, welches sie momentan in Bangladesh verbreiten wollen, und das wir ablehnen. Heute (16. Oktober) ist der „World Food Day“ und wir protestieren in ganz Bangladesh gegen GM-Nahrung.

Zum Schluß möchte ich über die Piraterie des traditionellen Wissens sprechen. Die unkultivierte Nahrung... das Wissen, welches Frauen über Kräuter, Pflanzen und deren medizinischen Wert haben, wird ihnen weggenommen. Dazu haben wir in Bangladesh viele anthropologische Studien gemacht.

Es gibt momentan eine Debatte in Südasien, ob das traditionelle Wissen schriftlich dokumentiert werden sollte oder ob wir es praktizieren sollten.(...)

Die letzte Sache, die ich erwähnen möchte, ist Wasser. Kürzlich wurde das Wasser privatisiert. In Indien übernehmen momentan Konzerne, wie z.B. Coca Cola, Flüsse. Und die Privatisierung von Flüssen bedeutet, daß du nicht mal ein Bad nehmen darfst. Die Bootsleute können ihre Boote nicht benutzen. Die Fischer können nicht fischen gehen. Ich glaube, sie haben Verträge mit der Europäischen Union unterzeichnet, unter GATS (General Agreement on Trade in Services - Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen). Sie wurden hinter verschlossenen Türen unterzeichnet. Deshalb ist GATS wieder eines der Probleme, gegen das wir demonstrieren. Wir hatten eine Kundgebung von 500 Menschen am 10. September, am ersten Tag der WTO Konferenz in Cancún. Wir sind sehr beschäftigt mit diesen Themen.