Frauentag - überholtes Relikt oder wichtiger denn je?

Die Wurzeln des Internationalen Frauentags reichen fast 100 Jahre zurück. Haben sich die Forderungen und Fragestellungen von damals längst erledigt?

Ein Kommentar von Ulrike Mast-Kirschning vom 7.3.2004

1921 wurde der internationale Frauentag weltweit auf den 8. März festgelegt. Das Datum erinnert an einen Streik der Textilarbeiterinnen in Sankt Petersburg, der die russische Februarrevolution von 1917 auslöste. Als die deutsche Sozialistin Clara Zetkin 1910 bei einer Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines Internationalen Frauentages initiierte, wollte sie zum Protest gegen die herrschenden Verhältnisse mobilisieren. Die Frauen forderten das Wahlrecht, Schutz für Schwangere, gleichen Lohn für gleiche Arbeitsleistung und sie wendeten sich gegen den Krieg als Mittel imperialistischer Machtausübung.

Alte Hüte, Schnee von gestern, alles längst erledigt? Der Internationale Frauentag - ein überholtes Relikt aus vordemokratischer Zeit, der Epoche hemmungsloser Industrialisierung und "männlicher" Hegemonialpolitik? Schließlich leben die Menschen in der Europäischen Union längst im Zeitalter des "Gender-Mainstreaming". Dieses Politikprinzip, das strukturelle geschlechtsspezifische Benachteiligungen auf allen Ebenen vermeiden soll, haben die Mitglieder der Europäischen Union bereits vor fünf Jahren im Amsterdamer Vertrag verankert.

Nach dem 11. September 2001 rückten die schrecklichen Lebensumstände der afghanischen Frauen ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Frauen unter der Bhurka wurden zum Symbol der Unterdrückung in patriarchalen Gesellschaften - zur Gesichtslosigkeit verdammt, rechtlos und entwürdigt. Ein Symbol, das weltweit Anteilnahme und Hilfsbereitschaft weckt.

Zugleich jedoch ein Symbol, das die westliche Welt in ihrer scheinbaren Sicherheit bestärkt, die Unterdrückung des weiblichen Geschlechts längst überwunden zu haben. Schließlich leben wir hier ja nicht unter der Herrschaft der Taliban. Und selbst wenn die eine oder andere Muslima in Deutschland öffentlich die These vertritt, dass die wahre Freiheit der Frauen zwar nicht unbedingt unter dem Schleier, so doch unter dem Kopftuch läge, so wird dies allenfalls als eine Frage der Religionsfreiheit diskutiert. Eine globale Verantwortung in der Geschlechterfrage, weitergehende Zusammenhänge werden gerne geleugnet.

Die Globalisierung der Wirtschaft und die Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte aber hat in vielen Ländern das Bemühen um eine Gleichstellung der Geschlechter untergraben. Die Diskriminierungen haben sich nämlich nach einer bei den Vereinten Nationen präsentierten Analyse von NGO's (Nicht-Regierungs-Organisationen) sogar ausgeweitet. Frauenarmut hat weltweit zugenommen. Gesundheitsprogramme wurden überall zusammengestrichen.

Millionen von Frauen sind weiterhin Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen und häuslicher Gewalt. Aids ist in Afrika und Asien vor allem zu einer Frauenkrankheit geworden, die Millionen Leben fordert. Frauen- und Mädchenhandel sowie Zwangsprostitution haben sich epidemieartig verbreitet und erinnern in der Dimension an das Zeitalter des Sklavenhandels.

Zur Überwindung dieser ebenso massiven wie anhaltenden Diskrimierung des weiblichen Geschlechts braucht es den politischen Willen und die im wahrsten Sinne des Wortes "notwendigen" finanziellen Mittel. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zwar verpflichtet, 0,7 Prozent ihrer wirtschaftlichen Gesamtleistung für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich sind es jedoch nur 0,27 Prozent jährlich.

Auch im hochentwickelten Industriestaat Deutschland ist Armut meist weiblich. Vor allem alleinerziehende Mütter leben vielfach am Existenzminimum. Und: Selbst wenn an den Schalthebeln der Politik inzwischen die eine oder andere problembewusste Ministerin sitzt - die entscheidenden Positionen in deutschen Unternehmen sind nahezu frauenfrei. Nur 11 Prozent der Führungspositionen werden von Frauen besetzt. Und in den Vorständen der global operierenden deutschen Firmen, dort wo die Entscheidungen auch zunehmend gesellschaftliche Strukturen mitgestalten, da blieben die Herren bislang unter sich. Deshalb hat der Internationale Frauentag nichts an Brisanz und Aktualität verloren.

Ulrike Mast-Kirschning
deutsche welle

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