Nein zur NATO - Infos und Hintergründe von 2009-10

Worum geht es? Vom 19. bis 20. November 2010 fand in Lissabon der NATO - Gipfel statt. Anstatt, wie im Jahre 2009, am Ort gegen den Gipfel zu demonstrieren, unternahm Friedensaktivistinnen von "Frauen sagen NEIN zur NATO” lokale Aktionen. 

In London hat eine Gruppe von Frauen am Samstag, den 20. November, dieses Flugblatt in den Londoner Hauptstraßen verteilt. Ähnliche Aktionen haben Frauen in Sheffield, U.K. geplant. Frauen der italienischen „Frauen in Schwarz“- Bewegung haben am 20. November als 'Frauen gegen NATO' in 11 italienischen Städte demonstriert.


St. Martins, London. Foto: Cynthia Cockburn. Mehr Fotos: Flickr

Frauen gegen NATO

Friedensforscherin und Frauen in Schwarz (London) Aktivistin Cynthia Cockburn’s Präsentation während des Plenums auf der ”Nein-zur-Nato” -Aktivistentagung in Berlin im Oktober 2009. Übersetzung dank Ursula Gelis.

”Hallo. Es ist schön, hier wieder mit euch zusammensein zu können. Ich werde über und für eine Gruppe von circa vierzig Frauen sprechen, die an den ”Nein-zur-Nato”-Veranstaltungen im April in Strassburg teilnahmen. Sie folgten damit einem Aufruf einer Arbeitsgruppe aus drei bestehenden Frauennetzwerken: Der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit [Women’s International League for Peace and Freedom], Frauen und Leben auf der Erde [Women and Life on Earth], und der Frauen in Schwarz [Women in Black].

Bei den Demonstrationen in Strassburg hielten wir eine Mahnwache mit Teilnehmerinnen aus unseren Gruppen ab. Dabei tauschten wir Informationen darüber aus, welche Aktionen unsere ortsansässigen Gruppen in Spanien, Italien, Grossbritanien und in anderen Ländern gegen Militärbasen, Nuklearwaffen und den Krieg in Afghanistan unternommen hatten.

Seit unserem Treffen in Strassburg haben wir eine e-mail Liste ”Frauen-gegen-die-NATO” etabliert, die dazu dient, Frauen unserer Netzwerke, die ihre zukünftigen Aktionen gegen die NATO und die Militarisierung der Europäischen Union koordinieren wollen, besser zu vernetzen.

Einige von euch werden sich wundern, warum wir uns als Frauen organisieren wollen? Weshalb also Aktionen von Frauen und Workshops für Frauen? Ist das nicht negativ und auf Trennung abzielend? Das ist es absolut nicht! Wir nehmen der Bewegung nichts weg, sondern ergänzen sie durch etwas, das unbedingt miteinbezogen werden muss.

Feministinnen teilen die Kritik an der Nato mit anderer Gruppierungen: die Nato sie ist eine kriegstreibende Maschinerie, die schon vor langer Zeit hätte aufgelöst werden sollen. Die Natoerweiterung und der Krieg in Afghanistan sind vollkommen falsch und müssen beendet werden. Wir teilen die Ansichten der Hauptlinie der Friedensbewegung, wenn es um die Analyse von Kriegen geht. Ja, der weltweite Neokapitalismus ist ein Grund für Krieg. Ja, rassistischer Nationalismus ist ein Grund für Krieg.

Aber- wir erweitern die Analyse der Kriegsgründe durch eine neue Dimension. Komplett verstrickt in die Machtstrukturen des Kapitalismus und des Nationalismus existiert eine dritte Kontrollinstanz – verwurzelt, durchdringend und international. Es ist das Patriarchat; die Dominanz maskuliner Werte innerhalb der Gesellschaft. Dieses System setzt auf Hierarchien und konkurrierendes Verhalten. Werte wie Fürsorge und Versöhnung sind verpönt. Im allgemeinen Kulturverständnis tragen patriarchalen Strukturen dazu bei, dass Männer und Jungen zu Gewalt geradezu ermutigt werden. Wenn wir die Formen des Militarismus beenden wollen, müssen wir Gewalt im Kapitalismus, im Nationalismus, und die Gewalt, die innerhalb des Patriarchats herrscht, bewusster machen. Diese Bereiche dürfen nicht voneinander geschieden betrachtet werden.

Frauen können es nicht vermeiden, Gewalt als ein Kontinuum anzusehen. An dem einen Ende befindet sich die massive Gewalt der Kriege. An dem anderen Ende steht die tägliche häusliche Gewalt und die der Strasse. Unser Kampf richtet sich gehen das ganze Spektrum. Innerhalb dieses Spektrums ist irgendwo auch die Gewalt, die wir in Strassburg erleben und bezeugen konnten, angesiedelt. Hiermit ist nicht nur die polizeiliche Gewalt gemeint, sondern auch diejenige einiger Demonstranten. Die Bewertungen, die Frauen auf unserer Webseite über die Erlebnisse von Strassburg abgegeben haben, zeigen, dass viele den Eindruck hatten, dass die Demonstration grösseren Schaden als Nutzen eingebracht habe. Die Medien und auch die Ôffentlichkeit sah - ausser Rauch und Flammen - nichts von unserer Friedensbewegung.

Morgen vormittag hoffen wir eine Arbeitsgruppe hier abhalten zu können, in der wir Ideen darüber austauschen können, wie wir unsere feministische Position gegen die Nato entwickeln können. Es geht darum, wie wir mehr und mehr europäische Frauen in die aktive Opposition gegenüber der Militarisierung Europas einbeziehen können.

Wir hoffen, zukünftig koordinierte Frauenaktionen, sowohl in unseren Ländern, als auch international, zu planen. Dabei geht es zentral um die strukturelle Gewalt des Militarismus, die tägliche Gewalt gegen Frauen, und die Gewalt in unseren eigenen Bewegungen des politischen Protests.

Wir hoffen sehr, dass selbständige Aktionen von Frauen zum Kalendarium des Anti-Nato Protestes und des zivilen Widerstandes im kommenden Jahr beitragen werden. Wenn Du interessiert bist, komm’ einfach morgen vorbei – und lass’ Dich in unsere e-mail Liste aufnehmen. Vielen Dank.”

Der Report der Arbeitsgruppe über feministischen Antimilitarismus, Okt. 2009, Berlin

vorgestellt von Ursula Gelis

Fünf Frauen nahmen an unserem Workshop teil. Sie repräsentierten fünf Organisationen aus vier Ländern. Die erste Frage, die wir diskutierten, lautete: warum wollen wir uns als Frauen organisieren? Zuerst einmal deshalb, weil Frauen spezielle Erfahrungen im Umgang mit Gewalt und Krieg haben, die sich in vielfacher Weise von denen, die Männer machen, unterscheiden. Wir wissen zudem, dass viele Frauen in Europa sich aktiv in der Friedensarbeit engagieren. Diese Aktivistinnen wollen wir erreichen, und wir sind der Meinung, dass sich unsere Netzwerke dafür sehr gut eignen.

In Verbindung mit ”Nein-zur-Nato” haben wir das spezifische Ziel, die Nato und die Militarisierung Europas sichtbarer, und besonders die Auswirkungen auf Frauen besser verständlich zu machen. Viele unserer Gruppen in den Netzwerken sind bereits in Bereichen aktiv, die mit der Nato im Zusammenhang stehen. Zum Beispiel demonstrieren sie gegen den Krieg in Afghanistan, an Produktions – und Lagerstätten von Nuklearwaffen, und gegen militärische Basen/Einrichtungen. Jetzt wollen wir eine effiziente Kommunikations- und Koordinationstruktur zwischen uns schaffen, um lokale Erkenntnisse und Aktionen in eine weitere Perspektive einzubinden, die die Nato als militärische Struktur entlarvt.

Zum zweiten haben Frauen ein weiter gefächertes Sicherheitsverständnis als dasjenige, welches in den internationalen Beziehungen massgebend ist. Für uns beinhaltet Sicherheit nicht nur die Sicherheit vor Krieg und Militarismus, sondern es geht ebenso auch um die Sicherheit im täglichen Leben, was die Freiheit von Hunger (freedom from hunger) und von häuslicher und zwischenmenschlicher Gewalt einschliesst.

Für uns ist Gewaltlosigkeit nicht verhandelbar. Wir sind eine gewaltlose Bewegung in dem Sinne, dass Gewaltlosigkeit nicht nur ein nützliches Mittel für uns ist, sondern das Ziel an sich darstellt. Es handelt sich nicht um passive, sondern um aktive Gewaltlosigkeit – viele unserer Gruppen sind in gewaltlose, direkte Aktionen des zivilen Widerstandes eingebunden, zum Beispiel in diejenigen, die an Militärbasen ausgeübt werden.

Der Stuttgarter Aufruf von 2008 lässt eine klare Aussage zur Gewaltlosigkeit vermissen. Wir möchten deshalb darauf bestehen, dass bei der Bearbeitung des Aufrufs eine solche Erklärung aufgenommen wird.

Zukünftige Aktionen: wir planen, an der Entwicklung unserer e-mail Liste ”Frauen-gegen-die-Nato” im kommenden Jahr weiterzuarbeiten. Wir hoffen, unsere örtlichen Aktivitäten besser koordinieren zu können und besonders viele Frauen zu erreichen. Wir möchten darum bitten, dass einige unserer Namen auf der e-mail Liste von ”Nein-zur-Nato” aufgeführt bleiben, damit wir informiert werden, auch weil uns daran gelegen ist, mit den Aktionen und Aktivitäten von ”Nein-zur-Nato” verbunden zu bleiben.