Gila Svirsky, eine israelische Friedensaktivistin, appelliert an Friedensfreundinnen und –freunde in Europa:

Stoppt die Belagerung von Gaza – Schluss mit der Besatzung von Palästina

Dieser aus dem Englischen übertragene Text enthält Auszüge einer Rede, die Gila Svirsky am 4. 11. 06 auf einer Konferenz der Rosa Luxemburg-Stiftung und der Bundestagsfraktion der Linken in Berlin gehalten hat, sowie Teile eines Aufrufs für die israelische FrauenFriedensgruppe  „Coalition for Peace“.

(Ãœbers. von Ulrike Vestring) 

 

Ja, der Waffenstillstand in Gaza ist eine gute Sache. Hoffen wir, dass er hält und dass er dann zu wirklichen Friedensverhandlungen führt.

Was jedoch andauert, das ist die Belagerung von Gaza. 1,5 Millionen Bewohner dort sind die Opfer, die niemand sieht, weil Israel seine Missetaten dort hinter einem eisernen Vorhang begeht.

Die Belagerung begann vor sechs Monaten als Reaktion auf die Wahl der Hamas. Israel untersagte Ein- und Ausreise von und nach Gaza fast völlig. In ganz Palästina wurde die Bewegungsfreiheit der Menschen weiter eingeschränkt. Die Steuern, die Israel für die palästinensische Autonomiebehörde eingenommen hatte, wurden zurückgehalten. Um die Hamas-Regierung von ihren Finanzquellen abzuschneiden –die finanzielle Unterstützung des Terrorismus zu unterbinden, wie es gewöhnlich heißt – erließ  die internationale Gemeinschaft  ein Embargo für Handel und Bankgeschäfte erließ, die EU unterbrach ihre Hilfszahlungen an die palästinensische Regierung.  

Die Folge sind Chaos, Gewalt und Armut, wobei eins das andere vermehrt. Die israelische Armee überschüttete die Bewohner von Gaza mit Raketen, während die Palästinenser das Sperrfeuer von Qassam-Geschossen  auf nahe gelegene israelische Städte verstärkte. Allein in den vergangenen vier Monaten wurden etwa 400 Menschen in Gaza getötet, zwei Israelis kamen um, und zahllose Kinder auf beiden Seiten sind auf Lebenszeit geschädigt.

 

Also: auch wenn ein Waffenstillstand ein Segen ist, bleibt doch die Belagerung von Gaza bestehen. Die Folgen für die Wirtschaft: mittlerweile leben 80 % der Menschen im Armut, sie haben weniger als 2 Dollar pro Tag.

Das bedeutet: in Gaza herrschen Hunger und Mangel. Kinder gehen abends hungrig ins Bett. Das einzige Elektrizitätswerk wurde schon im Sommer von israelischen Raketen zerstört, infolgedessen gibt es auch nicht genug Trinkwasser. Krankenhäuser haben keinen Strom. Könnt Ihr Euch Deutschland vier Monate lang ohne Strom vorstellen?. Oder mit einer Arbeitslosenquote von 40 % ?

Wie viel Hunger, wie viel Arbeitslosigkeit kann es geben, bevor die Anarchie ausbricht?

Wie viele Kriegsverbrechen, wie viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht die israelische Armee in Hebron, in Nablus, in Rafah? Wie oft verstößt die israelische Regierung in den Besetzten Gebieten gegen internationales Recht?

 

Wir in Israel hatten einen Traum, einen Traum, den eine Regierung nach der anderen zerstört hat. Wir träumten von einem anständigen, menschlichen Staat, der aus der Asche der europäischen Tragödie erstehen sollte.

Ich  weine. Ich weine um Palästina. Ich weine um Israel.

 

Wenn ich nur einen einzigen Wunsch an Euch frei habe, so bitte ich Euch, wir alle von der israelischen Friedensbewegung bitten Euch inständig: sorgt dafür, dass Eure Regierungen in Sachen des Boykotts gegen die palästinensische Regierung zur Vernunft kommen. Hebt die Belagerung auf, hebt das Embargo auf. Lasst endlich wieder Nahrungsmittel, Medikamente und Waren nach Gaza hinein. Verlangt Ein- und Ausreiserecht für die Bewohner. Fordert Zugang für Eure Journalisten, damit sie sehen können, was in Gaza geschieht. Schickt Delegationen nach Gaza und verlangt ihren Einlass. Meine Botschaft an Euch ist verzweifelt, aber sie enthält auch Hoffnung. Die Sünden der Besatzung sind furchtbar. Egal, wie wir uns als Friedensaktivisten bemühen, wir kommen zu spät für die vielen, vielen getöteten Palästinenser und Israelis, deren Familien immer um sie trauern werden. Zu spät auch für die unzähligen Menschen, die die schrecklichen Narben der Kriege, der Aufstände und des Terrors tragen.

Doch wissen wir auch, dass manche Dinge tatsächlich umkehrbar sind. Ihr in Deutschland habt Mauern eingerissen, eine hohe Mauer wie die, die in Palästina gebaut wird. Und auch die meterhohen Mauern in den Herzen.

Aber damit unser Einsatz gelingt, sind wir auf jede und jeden angewiesen, der sich unserer Sache anschließt. Wir müssen die Arbeit, die wir tun, gegenseitig anerkennen. Wir können Ideale nur weitergeben, indem wir sie selber leben.